Material Affordance – Gastvortrag

Vom stillen Wissen in Kunstproduktion und Vermittlung
Mag. Dr. Andrea Moya Hoke

3. Juni 2025, 18 Uhr
Oskar Kokoschka Platz 2, 1010 Wien, Keramikstudio

    In ihrer Dissertation untersucht Andrea Moya Hoke Praxen der Kultur- und Wissensvermittlung von handwerklichem Wissen, das als stilles oder implizites Wissen zu begreifen ist, am Beispiel der Keramik im Museums- und Ausstellungskontext. Dabei folgt sie epistemologischen Diskursen zu Wissenshierarchien und Machtverhältnissen, da sich diese ebenfalls in Ausstellungs- und Vermittlungspraxen von Museen abbilden. Die Arbeit rüttelt an den Hierarchien geistiger und körperlicher, expliziter und impliziter sowie situierter Wissensformen und zeigt auf, wie eindimensionale Narrative im Ausstellungskontext durch multimodale Erzählformen erweitert werden können. Dabei werden auch die methodischen Herausforderungen behandelt, die nicht nur beim Vermitteln stillen, handwerklichen Wissens, sondern auch beim Sammeln empirischer Daten oder der Dokumentation von schwer erfassbarem, stillem Wissen und dessen Analyse entstehen. Schließlich wird aufgezeigt, mit welchen Werkzeugen und Strategien diese Herausforderungen bewältigt werden können und wie neue Zugänge gefunden wurden, um stilles Wissen zugänglich und hörbar zu machen.
    Ausgehend von ihrer Dissertation, widmet sich der Vortrag vertiefend der Bedeutung einer object– oder material literacy für die Kunstproduktion und Vermittlung. Als Erweiterung dazu wird der Begriff der material affordance eingeflochten, der das Nutzungs- oder Handlungspotenzial beschreibt, das ein Material durch seine spezifischen Eigenschaften oder Beschaffenheit bietet. Die Affordanz des Materials wird dabei nicht im Sinne eines handwerklich-technischen Wissens definiert, vielmehr wird sie als eine Form stillen
    Erfahrungswissens beleuchtet. Die praktische und auch körperliche Erprobung des Materials bildet dabei die Voraussetzung, um das Verhalten und die Möglichkeiten, die es mit sich bringt, zu antizipieren, damit zu improvisieren und auch über konventionelle Einsatzmöglichkeiten hinausdenken zu können. Dabei wird offengelegt, wie das eigene handwerkliche Können dem Erkennen der Möglichkeiten, die ein Material bietet –
    also der material affordance – zugrunde liegen, und damit auch Entscheidungen in der Kunstproduktion beeinflussen.

    Andrea Moya Hoke untersucht sozial- und konsumkritischen Themen unserer materiellen Kultur, und setzt diese an der Schnittstelle von Design, Kunst und Handwerk um. Sie absolvierte die Ausbildung zur Modistin an der Modeschule der Stadt Wien im Schloss Hetzendorf, und schloss das Studium Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst ab. 2025 promovierte sie zum Thema Vermittlung stillen handwerklichen Wissens an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ihre Arbeiten wurden national und international u. a.
    im MAK – Museum für angewandte Kunst Wien, Triennale Mailand sowie im Austrian Cultural Forum New York gezeigt. Im Jahr 2014 erhielt sie das START-Stipendium für Architektur und Design des BMUKK (BMWKMS). Von 2013 bis 2016 war sie zudem Mitglied der von Julia Lohmann initiierten Community of Practice „Department of Seaweed“ und arbeitete in dieser Funktion am Victoria and Albert Museum in London und am Kyoto Institute of Technology in Japan. Seit 2016 lehrt sie als Assistenzprofessorin an der New Design University St. Pölten (NDU). Andrea Moya Hoke lebt und arbeitet in Wien.